Wenn es am Abend wieder schnell gehen muss
Manchmal muss die Materialsuche für die nächste Unterrichtsstunde schnell gehen. Ab und zu werden Kolleg:innen nach passenden Bausteinen gefragt oder mit Eifer etwas selbst etwas erstellt. Die zusammengesuchten Materialien setzen sich dann zusammen aus einem bunten Blumenstrauß aus kopierten Arbeitsblättern, der Unterrichtsplanung aus dem Referendariat, zwei H5P-Anwendungen von befreundeten Kolleg:innen sowie Scans aus verschiedenen Lehrbüchern. Nach der Unterrichtsstunde wird alles im Schrank aufbewahrt, bis zur nächsten Bastelaktion. Diese Möglichkeiten sind für den stressigen Schulalltag vielleicht funktional, stoßen jedoch auf lange Sicht auf Grenzen und Probleme. Problematisch kann es zum Beispiel mit dem Urheberrecht werden. Urheber:innen von Bildern, die in Präsentationen verwendet, aber nicht als Fremdeigentum zitiert wurden, Personen, von denen erstelltes Material kollegial übernommen wurde, oder auch Verlage könnten rechtlich gegen die Vervielfältigung ihrer Medien vorgehen. Selbst wenn sie das nicht tun, bleibt der Anspruch aus der eigenen Vorbildfunktion heraus, urheberrechtlich sauber zu arbeiten. Alternativ können Materialien käuflich erworben werden. Doch das ist nicht nur kostenintensiv, sondern damit verbaut man sich oft auch die Möglichkeit, die Dokumente anschließend mit Kolleg:innen zu teilen. Das wäre gerade dann schade, wenn die eigene Fachschaft schon eine Kultur des Teilens lebt.
Open Educational Resources als Materialfundus
Eine Lösung können OER-Materialien sein. OER steht für Open Educational Resources (zu deutsch: Offene Bildungsquellen/-materialien), die dem Gedanken folgen, Bildungsmaterialien wie Unterrichtsmaterialien und Lehr-Lernangebote kostenlos zur Verfügung zu stellen – für alle Personen, die sich im Feld des Lehrens bewegen und darüber hinaus.
Die Online-Plattform EDUdigitaLE ist eine solche OER-Plattform , auf der diverse Materialien und Unterrichtskonzepte für Lehrer:innen verschiedener Fächer veröffentlicht werden. Die OER-Materialien wurden von Studierenden der Universität Leipzig in Lehrveranstaltungen erstellt. Von Biologie über Geschichte bis Sport, von der Grundschule bis zum Abitur finden sich von Linksammlungen oder einem kurzen Arbeitsblatt bis hin zu ganzen Unterrichtskonzepten und 360°-VR-Rundgängen kostenlose Bildungsressourcen – schnell auffindbar über die Filtersuche. Darüber hinaus wird die Webseite zukünftig mit weiteren Unterrichts- und Materialvorschlägen gefüllt. Das Gute daran? Alle Lehr-Lernmaterialien der Webseite unterliegen einer CC-BY-SA Lizenz (zu deutsch: Erlaubnis zur Nutzung, Veränderung und Verbreitung unter Namensnennung der Urheber:in unter gleicher offener Lizenz) und sind damit für jede:n frei zugänglich und individuell für den eigenen Unterricht oder die eigene Lehre veränderbar. Doch wie kann das Materialangebot ausgebaut werden, also: Wie motivieren wir Lehrkräfte und Lehramtsstudierende, Hochschullehrende und andere Akteur:innen, OER-Materialien zu erstellen und zu teilen?
Eine Kultur des Teilens – Welche Kompetenzen benötigt es?
Für eine Kultur des Teilens im Bereich von OER-Plattformen benötigt es entsprechende digitalisierungsbezogene Kompetenzen seitens der Lehrenden. Welche das konkret sind, kann beispielsweise der Kompetenzkatalog „DiKoLiS: Digitalisierungsbezogene Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung in Sachsen“ (https://www.zls.uni-leipzig.de/praxisdigitalis/dikolis) beantworten, der Kompetenzen in den drei Bereichen Wollen, Können und Wissen formuliert. Um in diesem Sinne Unterrichtsmaterialien auf einer OER-Plattform wie EDUdigitaLE zu veröffentlichen, benötigen Lehrende diverse Voraussetzungen:
Sie müssen nicht nur wissen, welche Rechte und Pflichten bei der Veröffentlichung und Weitergabe für sie und ihre Kolleg:innen und Schüler:innen relevant sind, sondern darüber hinaus müssen sie Materialien digital erstellen und (digital) zugänglich machen können. Sie müssen Unterrichtsmaterialien mit anderen Akteur:innen im Bildungsbereich teilen wollen. Dazu reicht es nicht aus, den Schüler:innen etwas über offene Lizenzen beizubringen und OER zur Verfügung zu stellen. Vielmehr bedarf es einer kritisch-optimistischen Grundhaltung, die (angehende) Lehrkräfte erkennen lässt, dass Möglichkeiten wie OER-Plattformen zur Verbesserung der eigenen und fremder Lehrpraxis beitragen können. Zum Wollen gehört darüber hinaus, Vorbild für die Schüler:innen zu sein und somit quasi nebenbei auch dazu beizutragen entsprechende Kompetenzen bei ihren Schüler:innen zu fördern. Die Einstellungen von (angehenden) Lehrkräften zu beispielsweise Kooperation, Multiperspektivität und Vernetzung als Möglichkeiten von Digitalität s hochrelevant für eine Kultur des digitalen Teilens in Form von OER-Materialien auf Webseiten wie EDUdigitaLE.
Für die Aus- und Weiterbildung von (angehenden) Lehrer:innen bedeutet das, nicht nur Fähigkeiten und Wissen in Bezug auf das Teilen von OER-Materialien anzubieten. Insbesondere sollte vor allem der Blick auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von und durch frei zugängliche Unterrichtskonzepte und -materialien gelenkt werden. Lehrkräfte, die motiviert sind, Arbeitsmaterial und Stundenplanungen so aufzubereiten, dass sie sie weitergeben können, tragen wesentlich dazu bei, die Kultur des Teilens voranzubringen. Sie leisten somit sowohl einen positiven Beitrag zur Unterrichtsqualität, aber vor allem auch zur Entlastung aller Lehrer:innen. Und darum sind wir überzeugt: Wer teilt, gewinnt!